Das Klassentreffen der Musikindustrie. Das Reeperbahn Festival hat auch in diesem Jahr Tausende Musikbegeisterte auf St. Pauli versammelt. Zwischen Talks, Networking und Ausstellungen konnte man vor allem eines: neue Musik entdecken. Auf welchen Shows wir uns herumgetrieben haben, erfährst du hier.
Starker Start
Das Beste kam diesmal zum Beginn. In Hamburg angekommen, Gepäck abgestellt und Bändchen geholt, ging es direkt ins headCRASH zu GAST. Das Ludwigsburger Duo läuft bei mir seit Wochen auf Dauerschleife und meine Vorfreude wurde nicht enttäuscht. Den düsteren Sound haben GAST in einer fast schon bedrohlichen Bühnenpräsenz umgesetzt. Höhepunkt der wütenden Traurigkeit war die aufwühlende Performance von "Heldensagen" – Triggerwarnung inklusive.
Ein kurzer Blick in die App verrät mir, dass im Operettenhaus kein Einlassstopp mehr ist. So laufe ich schnellen Schrittes dorthin, um mir das restliche Set von Arlo Parks anzuschauen. Während ich mich zwischen all den schick gekleideten Leuten der Opening Show kurz underdressed fühle, lässt Arlo Parks wohlig-warme Stimme mich das sofort vergessen. Der britischen Musikerin gelingt es in ihrer Live-Show, das Maximum an Energie aus ihren sanften Songs zu holen. Da bewegt sich das Publikum sogar aus den gemütlichen Sitzen des Saals heraus.
Lichtblick der Fans
Unser Donnerstag startet mit Pablo Brooks im Moondoo. Gefüllt mit vielen jungen Frauen, bringt sein Publikum eine schöne Abwechslung in die Reserviertheit der versammelten Musikindustrie. Die euphorische Textsicherheit lässt darauf schließen, dass sie extra für Pablo Brooks auf das Reeperbahn Festival gekommen sind. Der liefert eine Pop-Show für alle Girls, Gays and Theys, die sich vom umherhüpfenden Pablo mitreißen lassen.
Weiter geht’s zu THALA. Wir waren wohl nicht die einzigen, die sich live von der international gefeierten Künstlerin überzeugen lassen wollten. Ihre Musik, die Dream-Pop mit 90er Indie-Rock miteinander kombiniert, füllte den doch recht kleinen Sommersalon bis zur Eingangstür.
Wie das beim Reeperbahn Festival immer so ist, spielte parallel Flawless Issues im headCRASH, den wir auch nicht verpassen wollten. Wirklich gelohnt, das THALA-Set früher zu verlassen, hat es sich allerdings nicht. Nachdem im headCRASH kurz Einlassstopp war, standen wir dicht gedrängt in einer Ecke, in der der hallige Sound in den vielen Menschen um uns herum untergegangen ist.
Schon als Highlight angekündigt, wurden The Last Dinner Party ihrem vorauseilenden Ruf definitiv gerecht. Mit sechs Musikerinnen war dort auf der Bühne einiges los. Dass die Band erst vor fünf Monaten ihren ersten Song veröffentlicht hat, merkt man ihnen nicht an. Die Bühnenpräsenz, die fetten Gitarrenriffs, die spannenden Harmonien und die ausgeklügelte Dramaturgie ihrer Songs haben eine Strahlkraft, die seinesgleichen sucht. Selten war ich mir so sicher, dort dem Beginn einer großen Karriere zugesehen zu haben.
Only The Poets hatten die schwere Aufgabe, im Anschluss daran im Uebel & Gefährlich zu spielen. Zu ihrem Glück hat sich für sie aber schon zum Soundcheck eine kleine Fan-Armee mit Plakaten und perfekt sitzender Choreo eingefunden. Der Indie-Pop der Briten ist zwar nichts Revolutionäres, wurde durch das Zusammenspiel mit den Fans aber deutlich aufgewertet.
Gelungener Abschluss des Reeperbahn Festivals
Den Auftakt unseres letzten Festivaltags machte Blush Always. Einmal im Festival-Village, einmal im Thomas Read holte sie mit ihrer zurückhaltenden Art, aber dennoch ordentlich scheppernden Show, so viele Leute ab, dass manche von der Terrasse aus draußen zuhören mussten.
Im Anschluss habe ich Blush Always zum Interview getroffen.
Auch die für den Anchor Award nominierten Daisy the Great haben auf ihrer ersten Europa-Tour einen Abstecher auf das Reeperbahn Festival gemacht. Dem Duo aus den USA ist es gelungen, von Song zu Song eine neue Überraschung zu liefern. Von Balladen über harmonischen Folk bis hin zu rockigen Gitarrenriffs überzeugen Daisy the Great mit bestechenden Gesangsharmonien und Melodien, die mir den ganzen Abend nicht mehr aus dem Kopf gingen.
Der krönende Abschluss unseres Festivals waren Lime Cordiale. Die Show der Australier lässt sich zusammengefasst als positiv irritierend beschreiben. Man braucht erstmal einen Moment um das extravagante Auftreten, die Anekdoten und Booty Shakes zu verarbeiten, dann sieht man nur noch pure Spielfreude auf der Bühne. Kazoo, Klarinette und Posaune rundeten das wunderbar groovige Set ab und ließen uns das Reeperbahn Festival mit einem zufriedenen Grinsen verlassen.
Tickets für nächstes Jahr gibt es hier.
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