Neue Musik zu entdecken ist toll. Aber um ehrlich zu sein: Zwischen neuen Alben, Trends, Künstler:innen und Kollaborationen fällt man oft auf Altbekanntes zurück. Irgendwann stolpern wir unverhofft über ein Album, Musiker:innen oder diesen einen Song, der in der untersten Playlist darauf wartet, wieder entdeckt zu werden. Einmal im Monat kramen wir diese Wiederentdeckungen bei SPOTTED für euch heraus und lassen euch an diesem Hörerlebnis teilhaben.
Das Cover schreit nach 2015 und obwohl mich auch der Sound an diese Zeit erinnert, war ich überrascht, wie zeitlos ich ihn finde. Dem heutigen radiotauglichen EDM stehe ich eher skeptisch gegenüber, aber "Roses" von The Chainsmokers feat. Rozes hat es zum meistgehörten Song meiner Mai-Playlist geschafft. Ich habe keine Ahnung, wie er plötzlich wieder den Weg zu meinem Gehör gefunden hat. Wahrscheinlich ist Social Media daran schuld, aber da bin ich diesmal nicht böse.
2015 wurde der Song als zweiter Hit des EDM-Duos The Chainsmokers veröffentlicht. Enstanden in nur acht Stunden, hielt er sich 34 Wochen in den amerikanischen Charts. Der Erfolg war vor allem dem sehr speziellen Sound zu verdanken.
Als Feature holten sich Andrew Taggart und Alex Pall die Songwriterin und Sängerin Rozes (aka Elisabeth Roze Mencel) dazu. Die hat dann ganz einfach über die Person geschrieben, die sie zu dem Zeitpunkt datete. Die Lyrics sind nun auch wirklich nicht aufregend: Netflix & Chill und high sein.
Deep in my bones, I can feel you / Take me back to a time only we knew, hideaway / We could waste the night with an old film / Smoke a little weed on my couch in the back room, hideaway / Say you'll never let me go
Rozes in "Roses"
Interessanter ist dagegen die Produktion. Wabernde Synths eröffnen das Intro zwei Takte lang, bis Bass und Gesang einsetzen. Dabei trifft eine breite und soulige Stimme auf einen trappigen 808-Bass und hallenden Schnips-Sound. Das ist erst einmal alles: Ein einfaches Gerüst, das es schafft, Spannung aufzubauen - vergleichbar mit Lordes "Royals".
Im Pre-Chorus bleibt das Gerüst bestehen, wird im Bass durch ein pulsierenden Bounce und im Gesang durch Taggarts Harmonie erweitert. Es ist das erste Mal, das Taggart für ein eigenes Projekt singt. Die Gesangsebenen wirken wie eine sirenenartige Anwerbung oder aber ein Dialog: "I'll be your daydream / I'll be your favorite things". Die Zeile "We could be beautiful" steht dann alleine, wie ein Versprechen, in der Luft.
Bevor es auf den Refrain zugeht reduziert sich das Gerüst, bis wir uns in einem riesigen Crescendo wiederfinden. Am prägnantesten sticht das Voice-Sample ("ah") heraus, das vor allem durch die Harmonie im letzen Teil eine ziemlich spannende Wirkung erzeugt. Dazu kommt eine unterstützende Gitarre und ein stampfender Bass, der sich zunehmend verdoppelt. Nach 38 Sekunden endet das Crescendo in einem Drop, indem die Zeit für einen kurzen Augenblick stehen zu bleiben scheint. Dann wird sie durch ein hallendes Schnipsen wieder vorangetrieben.
Der Bass knallt nur noch mehr, der Gesang beschränkt sich auf ein melodiöses "uuh", die Synths gehen verrückt und dann kommt etwas, von dem ich immer noch nicht weiß, ob ich es liebe oder hasse: Irgendwann setzt ein sehr tiefes Bellen oder "What" ein. Ich weiß nicht, was es ist, aber es stellt einen großen Kontrast zum Rest des Tracks her.
Auf dem Weg zur zweiten Runde des Drops stolpern wir über noch eine spannungsgeladene Stelle. Die Synths aus dem Refrain spielen sich mit metallenem Klang in den Vordergrund, werden nur vom Bass getragen. Im sonst so harmonischen Gerüst sticht dann ein Halbton heraus, der die Spannung nur so in die Höhe treibt. Dann ein Geräusch eines Röhrenfernsehers, der Drop geht in die zweite Runde und der Spaß beginnt von vorne.
Nach "Closer" mit Halsey wurden The Chainsmokers für mich eher uninteressant. Erfolgreich ist das Duo allerdings durch und durch, 2024 veröffentlichten sie nun ihre neue EP No Hard Feelings. Rozes bewegt sich inzwischen irgendwo zwischen Gitarren- und Dance-Pop, mit einer halben Millionen Spotify-Hörer*innen ist sie auf jeden Fall gut dabei. "Roses" wird bei mir auf jeden Fall weiterhin rauf und runter laufen, bis ich mich endgültig dazu entscheide, dass dieses Gebelle echt nervig ist.
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