Einmal im Jahr glühen die Bühnen auf dem Cannstatter Wasen. Das Kessel Festival in Stuttgart hat zwar nicht ausschließlich Musik zu bieten, aber genau dafür war ich vor Ort. Bei ein paar der Shows stand ich in der Menge, um mir mein eigenes Bild von den Live-Auftritten zu machen. Während ich die Musik genossen habe, versteht sich.
Was mich an diesem Wochenende definitiv am wenigsten überzeugt hat, war das Wetter: Regen, Regen und Regen. Während Menschen überall in der Region mit Hochwasser zu kämpfen haben, feiern ich und circa 50 Tausend weitere Besucher auf dem Kessel Festival, was sich ein bisschen falsch anfühlt.
Ohne Regenjacke, ohne Plastik-Poncho und ohne Kapuze war ich allerdings äußerst schlecht auf das Wetter vorbereitet. Deshalb habe ich erstmal Unterschlupf gesucht: Im Zelt bei MAJAN.
Palastzeltbühne - MAJAN
Ein "Heimspiel", nennt Majan seinen Auftritt in Stuttgart. Für seinen Heimatort Schorndorf, die Endhaltestelle der S2, bekommt er ein paar Jubel-Schreie aus dem angeheizten Publikum und nebenbei grüßt er - wie es sich gehört - seine Eltern. Die stehen irgendwo in der Menge und gucken zu.
Die Setlist ist ein Mix aus emotionalen Balladen und fetzigen Tracks. "Panikweiß" und "Krankenwagen" mit Klavierbegleitung treffen auf "Brille auf / Kate Moss" und "Eiskalt“
"Ich weiß, es kam lange keine neue Musik. Aber ich habe in der Zeit natürlich nicht nur faul rumgelegen."
Für die lange Dürre auf Spotify und Co. entschuldigt er sich beim Publikum, mit dem noch unbekannten Song "fresh breeze", auf dessen Release wir uns freuen können.
Der Aufritt ist keine krasse Show mit Pyrotechnik und bunten Lichtern, sondern eher ruhig. Majan überzeugt mit seiner Stimme, die genauso klingt, wie wir sie aus unseren Playlists kennen. Mit "Ich liebe …" entlässt er uns raus in den Regen, um vor der Hauptbühne auf CRO zu warten.
In der Hoffnung Majan nochmal als Gast auf der großen Bühne zu sehen hole ich mir schnell was zu essen und stapfe dann durch den Matsch zum Haupt-Act des Abends:
Hauptbühne - CRO
Alles voll. Das war zu erwarten. Der Typ mit der Maske aus Mutlangen in Baden-Württemberg hat an diesem Freitag wohl die meisten Besucher auf's Festivalgelände gelockt.
Eine halbe Stunde im Regen gewartet, dann geht die Show los. Trotz relativ schlechtem Sound auf der Anlage - Gesang viel zu leise, Bass viel zu laut - unterhält Cro die Menge von Anfang an. Dazu leistet auch das Bühnenbild seinen Beitrag: Ein riesiger aufblasbarer Panda, lächelnde Sonnenblumen, Hüpf-Burg und Flammenwerfer. Auch die Visuals auf den Leinwänden bei "Tempo" oder "Unendlichkeit" sorgen zusätzlich für gute Laune.
Mit zwei tollen Backup-Sängerinnen, badchieff und Majan hat der King of Raop ganz viel musikalische Unterstützung. Es fühlt sich ein bisschen an, wie ein exklusives Collab-Treffen.
Und Cro hatte sichtlich viel Spaß bei seinem Auftritt:
Bevor die allbekannten Klassiker wie "Traum", "Easy" oder "Einmal um die Welt" aus den Boxen krachen, müssen wir ganz schön lange warten. Verständlich, denn - ich kann es nicht anders sagen - seine alten Lieder machen live mit Abstand am meisten Spaß.
Cro dabei zuzuhören, wie er die Songs spielt, mit denen man so viele Erinnerungen verbindet, ist das Highlight des Abends. Letztendlich hat er dafür gesorgt, dass wir trotz des Regens alle ein bisschen Party machen konnten. Das Feuerwerk zum Schluss rundet nicht nur den Auftritt, sondern auch den ersten Festivaltag ab.
Mit frischer Motivation und gleichbleibend frischen Temperaturen geht es am nächsten Tag erst zu Provinz aufs Festivalgelände. Ich muss mich beeilen, die Laufstrecke bis zur Hauptbühne habe ich mal wieder unterschätzt.
Hauptbühne - Provinz
Provinz, das sind drei Cousins und Leon am Schlagzeug. So stellt Sänger Vincent die Band vor. Dessen Stimmfarbe klingt live übrigens genauso fiebrig-melancholisch, wie wir es gewohnt sind.
Für die Show scheint auch größtenteils Vincent verantwortlich zu sein, der bei "Liebe zu dritt" und "Was uns high macht" über die Bühne tanzt.
Die Band macht bekanntlich Musik über das Leben in der Provinz, genauer gesagt Vogt bei Ravensburg, und versprüht pures Lebensgefühl. Aber auch einen neuen Song haben sie mit im Set.
Zu dem sagt Vincent:
"Mir fällt es manchmal schwer die ganzen schlimmen Nachrichten zu sehen. Am liebsten würde ich wegschauen. Aber wegzuschauen wäre wahrscheinlich das schlechteste, das wir machen könnten."
Es wird kurz emotional – "Draußen ist Krieg" heißt es im Lied. Die Crowd ist vergleichsweise ruhig. Vielleicht regen die Tracks einfach mehr zum Genießen und Nachdenken an als zum Mitschreien.
Die ganze restliche Zeit warte ich auf "Blaue Stunde" und bin ein bisschen enttäuscht als sich die Jungs recht abrupt von der Bühne verabschieden ohne meinen Lieblings-Track gespielt zu haben.
Die Menge vor der Hauptbühne löst sich auf und als es etwas lichter wird kann man Tream aus dem Zelt wummern hören. Drinnen klingt es nach Party und guter Laune, also stelle ich mich an, um mich überraschen zu lassen.
Palastzeltbühne - Tream
Als waschechter Bayer macht Tream, der eigentlich Timo Grabinger heißt, das Zelt zu seinem persönlichem Bierzelt. Mit Tracht, Dialekt und Bläsern steht er auf der Bühne.
Um es mit seinen eigenen Worten zusammenzufassen:
"Ich bin hier heute vielleicht nicht der Beste, aber der Besoffenste."
Die Selbstwahrnehmung des 26-Jährigen teile ich ebenfalls. Der Schlager-Rap mit Techno-Einfluss ist nicht ganz mein Ding. Seinen Hit "Zelten auf Kies" singe ich trotzdem mit, einfach weil's Spaß macht. Und obwohl der Auftritt insgesamt eher unsympathisch war: Tream und seine Band hatten die bisher ausgelassenste Stimmung an diesem Wochenende. Das muss man ihm lassen.
Die Line „Sag mir, was kostet mich ein Blick unter dein Dirndl?“ ist dann mein Zeichen – inmitten der Show mache ich mich auf den Weg nach Hause. Die Füße tun weh, der Rücken tut weh, alles tut weh und ist durchnässt. Aber dann konnte ich doch noch nicht gehen.
Kontainer Klub - DJ @motz_kusch
Vor der unscheinbarsten Bühne des gesamten Festivals, Karles Kontainer Klub, tanzen zuerst nur etwa zehn Leute zum Hard-Techno Set des DJs ohne Namen. Gegen Ende des Festival-Samstags zieht der dann allerdings eine Party-Meute an, die bis ganz nach hinten reicht.
Dass sich so viele für die Musik begeistern und einfach ihr Ding machen, das war mein persönliches Highlight vom gesamten Kessel Festival. Außerdem hat es dafür gesorgt, dass ich noch knapp zwei Stunden auf dem Gelände verbracht habe. Main-Act Shirin David auf der Hauptbühne habe ich währenddessen komplett vergessen.
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