Neue Formation, neuer Sound, gleicher Vibe. Mit BiG HEART, BiG SMILE releast die Karlsruher Band Jon Doe heute ihr neues Album. Wir haben mit Leadsänger Paul und Bassist Jurek über die Entstehung des Albums, Live-Musik und intimes Songwriting gesprochen.
Ihr habt euch Anfang 2023 neu formiert und hattet ein paar Umstellungen in der Bandbesetzung. Was hat sich seitdem verändert?
Jurek: Viel hat sich verändert. Wir haben jetzt zu dritt auch musikalisch eine neue Chemie. Neue Elemente oder Elemente, die wir uns vielleicht früher gewünscht hätten, werden präsenter. Im Kern haben wir einfach viel Spaß daran, zusammen zu spielen - live oder im Proberaum. Diese Magie beim zusammen Musizieren zu erleben, auch in Improvisationen - das ist so die Hauptsache. So ist auch die Idee für unser Album entstanden. Musik bedeutet oft Unternehmertum, da fällt das Musikalische manchmal fast hinten runter, wenn man versucht, ambitionierter zu werden. Wir haben gemerkt, dass es für uns zu dritt schön aufgegangen ist.
Paul: Und ich glaube, wir ziehen jetzt mehr am gleichen Strang. Davor waren unsere Vorstellungen sehr zerstreut. Musikalisch haben wir uns auch öfter gezofft, als wir es jetzt tun. Wir zoffen uns immer noch, aber liebevoller (lacht). Das war für mich auf jeden Fall die krasseste Veränderung. Ich finde, dass wir auch live besser klingen und ich habe auch deutlich mehr Spaß dabei. Da ist ein größeres Einheitsgefühl.
Ihr habt den Livecharakter angesprochen, den wolltet ihr auch in BiG HEART, BiG SMILE einbringen. Mein Papa hat früher im Auto Dave Matthews Live-CDs gehört und ich fand es immer richtig nervig - wegen des Applauses und so. Euer Album hat den Charme des Live-Moments, aber ohne das nervige Drumherum. Wie ist eure Beziehung zu Live-Platten?
Jurek: Ich war auch nicht so der krasse Live-Platten-Hörer, vor allem, weil ich ein Faible für Produktion habe. Und oft sind Live-Mitschnitte nicht so supergeil produziert, ist aber auch verständlich. Aber trotzdem haben Liveplatten einen ganz wichtigen Stellenwert bei mir. Ich erinnere mich noch sehr gut daran: Als ich sechs oder sieben war, da kam die Seeed Live-Platte raus und meine Eltern haben die hoch und runter gehört. Liveplatten haben echt ein Fifty/Fifty: Entweder vollkommen beschissen oder wirklich geil.
Paul: Bei mir ist das ähnlich. Ich habe schon als Kind viel so Live-Kram gehört, auch von meinen Eltern. Irgendwelche CDs von irgendwelchen Konzerten. Was ich immer noch gerne mache, ist mir irgendwelche Konzerte auf dem Fernseher anzuschauen.
Jurek: Slane Castle - Red Hot Chilipeppers.
Paul: Das schauen wir oft zusammen. Und das macht dann schon sehr viel Spaß. Aber da gehört auch nochmal das Visuelle dazu. Sonst gehen mir die Crowd-Noises auch ein bisschen auf den Keks.
Was mögt ihr selbst am live spielen?
Jurek: Es gibt ganz viele Sachen, die das besonders machen. Das ist eine Mischung aus diesem Moment, zu performen, mit einem Euphoriegefühl und Adrenalin und dem Moment, an dem die Crowd noch mitmacht. Es macht einfach Spaß, Musik die man liebt und spielt, miteinander zu teilen. Wir spielen oft improvisierte Jams auf der Bühne. Manchmal sind die gut, manchmal sind die nicht so gut und manchmal sind die SO gut, dass es klickt und sich wie ein nonverbales, eingeschworenes Ding anfühlt. Und dann gucken wir uns an und denken: Wow. Okay. Krass.
Paul: Das ist auf jeden Fall der Teil der Musik, der am meisten Spaß macht. Wenn man sich als Einheit auf der Bühne sicher fühlt. Und auch irgendwie den Kontakt zu Menschen und Hörer:innen herstellt. Und auch ein bisschen dieses Fight or Flight, was Jurek meinte: Es kann schiefgehen, es kann aber auch sehr gut sein. Ich finde live ist die beste Form der Musik zum Konsumieren und auch zum Performen: Das bringt alle am meisten zusammen.
Ist das Album dann auch aus Improvisationen entstanden?
Jurek: Der größte Teil vom Album ist tatsächlich beim Jammen entstanden. Es gab aber auch ein paar Songs, die schon fertig geschrieben waren. Aber wir haben alle Songs im Proberaum weiterentwickelt und fertiggestellt, sie haben sich teilweise auch nochmal komplett verändert.
Beim Hören vom Album kamen mir richtig viele musikalische Assoziationen. Hattet ihr spezielle Sounds oder Künstler:innen im Hinterkopf, die ihr einbringen wolltet?
Paul: Wir hatten schon eine Idee, wie es klingen soll, der Fokus lag aber eher darauf, einfach zu machen.
Jurek: Es ist uns schon selbst aufgefallen: "Jack Is Back" hat offensichtlich Michael Jackson-Einfluss, "biebs in georgia" hat ein bisschen Nirvana-Charakter. Wir hatten jetzt nicht geplant, dass wir ein Sammelsurium an verschiedenen Songs auf die Platte bringen, aber es ist im Prozess entstanden. Gerade wegen dieser frischen Welle dachten wir: Wir machen das, worauf wir Bock haben. Wenn der Song gut ist, dann kommt er da drauf. Und es hat sich trotzdem ein roter Faden entwickelt.
Wie kamt ihr dir dazu einen Song über Michael Jackson zu schreiben?
Paul: Der Titel hat nicht unbedingt etwas mit Michael Jackson zu tun.
Jurek: Der Song hat tatsächlich eine lustige Entstehungsgeschichte. Wir hatten letztes Jahr ein Konzert beim Elektrik Pony Cup in Mannheim und haben einen Intro-Jam geplant. Ich sollte anfangen und war zu der Zeit voll im Skipidi-Toilet-Meme drin. Und weil ich's witzig fand, habe ich das Meme in eine Bassline umgewandelt. Und wir fanden das so geil, dass wir gesagt haben, "okay, wir machen da 'nen Song draus". Und tatsächlich hat Julian, unser Drummer, in den Proben immer mal dieses Michael Jackson-Feel rausgehauen, das haben wir dann in den Chorus eingebaut. Der Titel "Jack Is Back" ist eigentlich gar keine Anspielung auf Michael Jackson, sondern auf Titanic. Quasi der Jack, der aus dem Wasser wieder aufs Boot klettert (beide lachen). Wir haben eine spezielle Dynamik aus "sehr ernste Musik machen, aber uns nicht so ernst nehmen".
Am Anfang hört man ein anderes Meme: "mom, can u pick me up, i’m scared". Ist das subtile Kritik an Michael Jackson?
Paul: Es ist nicht geplant gewesen, aber der Raum für Interpretation ist da.
Bei "Rain in my braiN" kam mir gleich der Song "Bagels" von Benee in den Kopf. Beides Songs, in die man sich gut reinlegen kann, wenn es einem nicht gut geht. Wie ist der Song entstanden?
Paul: Das Gitarrenriff lag schon sehr lange bei mir herum, ich habe aber nie einen Song daraus gemacht. Ursprünglich hatte der Song eher einen Hip-Hop-Style mit einem melancholischen Vibe. In der Version hat der Song nicht zum Album gepasst, dann haben wir noch mal umgeschrieben.
Jurek: Während Corona hatten wir sogar schon fast ein Album an Demos fertig, wovon ein paar Songs jetzt verändert auf BiG HEART, BiG SMILE gelandet sind. Das war aber eine Zeit, in der es uns beiden nicht so gut ging. Das Zusammensetzen und Songs schreiben war wie Therapie für uns. Wir haben uns das ein Jahr später angehört und gedacht: "Jesus Christ, ultra der depri shit". Der Song hat mich bewegt. Ich habe sehr forciert, dass da keine Drums und Bass draufkommen, sondern dass Paul es solo macht. Es ist wie ein Meer aus Sounds, in die man sich reinlegen kann. Es ist traurig, aber gleichzeitig hoffnungsvoll, einfach sehr immersiv. Immer wenn ich den Song höre, dann will ich in diesen drei Minuten auch nicht reden.
Wie ist es für euch, so etwas intimes zu veröffentlichen?
Paul: Ich hatte damit nie ein Problem, weil ich es selbst sehr schätze, wenn Musiker:innen sich so öffnen. Deswegen will ich das gleiche auch unseren Zuhörer:innen bieten.
Jurek: Paul ist jemand, der es sehr gut schafft, aus einer Idee mehr zu machen als die Summe seiner Teile. Also ein Riff, einen Text zu schreiben und es aufzunehmen ist die eine Sache. Aber da noch mehr draus zu machen und einen Teil von sich da reinzupacken, da ist Paul sehr gut drin. Sowas zu zeigen und rauszubringen, darauf kann man stolz sein.
Paul: Es ist ein ziemlich befreiendes Gefühl, wenn man das einfach loslassen kann. Wir machen schon eine Weile Musik und dann ist das ein bisschen wie Tagebuch schreiben.
"Überall Sand" ist euer erster Song auf deutsch. Für viele Künstler:innen ist es noch ein neuer Weg, um Gefühle auszudrücken. Wie geht es euch mit dem Song und was bedeutet er euch?
Jurek: Der Song ist mir sehr wichtig. Paul hat schon immer auf Englisch geschrieben und auch ein paar Jahre in Amerika gelebt. Es war für ihn immer sehr unnatürlich auf deutsch zu schreiben und zu singen. Vor allem, weil es einen Ticken persönlicher ist.
Paul: Ich war auch einfach stur (lacht).
Jurek: Ich wollte unbedingt mal was Deutsches schreiben und konnte Paul dazu bewegen. Und der Song ist in einer sehr schönen Nacht entstanden, in der wir diesen Song in acht Stunden am Stück produziert haben. Wir hatten auch etwaigen Substanzeinfluss, es war wirklich wie ein Film. In vielen Momenten gibt es Impulse, die in dem Moment genau richtig sind. Da muss man ein bisschen Mut haben, denen nachzugehen. Das war bei dem Song auch so. Der war fertig und er hatte diesen besonderen Vibe. Dann meinte ich "Komm, lass was Deutsches schreiben". Und es funktioniert, obwohl es wirklich außerhalb der Komfortzone war.
Paul: Es ist schon intimer, es macht auf jeden Fall Spaß, aber ich glaube, mein Herz liegt trotzdem im Englischen. Aber ich würde es nochmal machen.
BiG HEART, BiG SMiLE wurde am 26. Juli veröffentlicht.
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