Ottolien - das sind die Brüder Leonard (Singer-Songwriter, Gitarre) und Jonas (Rapper, Produzent) aus dem kleinen Örtchen Schieder-Schwalenberg bei Detmold, mittlerweile leben sie in Hannover. Gemeinsam produzieren die beiden eine Mischung aus Rap- und Popmusik und setzen dabei besonders auf Synthesizer-Klänge und vielschichtige Lyrics.
Am Freitag ist ihre zweite EP Gezeitenland herausgekommen. Die enthält unter anderem ein genderneutrales (Liebes-)Lied sowie vier weitere Songs mit Unterwasserästhetik. Ich habe mich mit den beiden übers Musikmachen, ihre Liebe zu SpongeBob und Winterdepressionen unterhalten.
Ihr habt beide schon als Kinder angefangen Musik zu machen und seid dann erstmal auch musikalisch eure eigenen Wege gegangen. Zusammengefunden habt ihr dann wieder nach einem Pop-Kurs in Hamburg – wie kam das, dass ihr dann zusammen weitergemacht habt und nicht solo?
Leo: Das war eine Mischung aus Eigeninitiative und durch die Menschen um uns herum. Wir haben in unseren Kindheitstagen schon zu zweit Musik gemacht und sind dann später auseinandergedriftet. Ich bin dann wegen des Studiums nach Hannover gezogen, während Jonas noch in der Schule in unserer Heimat war - das war dann halt erstmal ein geografischer, aber auch natürlicher Cut. Dann haben wir unsere eigenen musikalischen Erfahrungen gemacht und Leute kennengelernt.
Als wir dann beide hier in Hannover waren, haben dann mehr Leute gesehen: Ey, das sind ja Brüder und die machen jeweils beide irgendwie was mit deutschsprachigen Texten. Da kamen dann öfter mal Stimmen, die gemeint haben: Ihr habt es doch direkt vor der Nase liegen, warum bringt ihr das nicht wieder zusammen? Quasi genau die beiden Sachen, die wir jeweils für uns selbst kreiert habt, nur eben in einer austarierten Mischung. Anfangs war es für uns schwierig, beides zusammen zu bringen, mittlerweile funktioniert das recht gut.
Der Unterwasser-Vibe zieht sich musikalisch und optisch durch die gesamte EP - im Sommer wart ihr auf der Insel Borkum, wo auch die Bilder dazu entstanden sind. Der Titel Gezeitenland ist auch der Name von einem Schwimmbad auf Borkum - seid ihr da drin gewesen?
Jonas: Genau, da waren wir drin. Und der Song "Gezeitenland" wird auch noch ein sehr großes, fettes Musikvideo haben, was ihr eben dort in zwei Nächten gedreht haben. Optisch haben wir die EP eben um dieses Schwimmbad gebaut.
Leo: Wir haben da sehr nette, zugewandte Menschen in der Insel-Verwaltung kennengelernt und durften deswegen da drehen. Also wir haben wirklich im namensgebenden und inspirierenden Ort, der sich quasi so durch diese Platte zieht, auch das Video drehen dürfen. Das wird auf jeden Fall ziemlich cool und wir hatten da auch eine richtig gute Zeit mit unseren Optik-Freunden, die die Fotos und Videos gemacht haben.
Eure Musik ist unter anderem geprägt von Synthesizern und erinnert manchmal sehr an die 80er Jahre - seid ihr selbst 80er-Fans?
Jonas: Also gerade durch die verschiedenen Synthesizer, die es gibt, falle ich in regelmäßigen Abständen in ein Rabbit Hole - wenn ich mir dann bis tief in die Nacht Videos von alten Vintage-Synthesizern aus den 80ern reinziehe und dann vergleiche und mir denke den könnte man sich mal, wenn man mehr Geld zur Verfügung hat, kaufen. Also ich bin ein großer Synthie-Fan und dementsprechend auch großer 80s Fan. Ich habe hier auch so eine Schallplattensammlung von meinen Eltern übernommen – so komplett Neue Deutsche Welle. Vor allem auch viel Westernhagen! (lacht)
Sehr cool! (lacht) Bevor wir jetzt nochmal über euren Song "Meerjungfrau*mann" sprechen, würde ich gern nochmal von euch wissen, ob ihr große SpongeBob-Fans seid? Bei dem musste ich nämlich direkt an SpongeBob denken. Habt ihr das früher geguckt?
Leo: Komplett, ja. Wir sind große SpongeBob-Fans und finden auch, dass der Humor einfach über eine Kinderserie hinweg strahlt, weil es halt auch einfach so nice geschrieben ist und man super viele Lehren daraus ziehen kann. Die Serie haben wir auch bei unserer Mama sehr viel geguckt. Sie hat in der Küche dann immer die schrillen Stimmen gehört und gesagt wie nervig die sind. Die deutschen Synchronstimmen sind aber echt super. Wir können auch noch die ganzen Songs, wie "F.U.N." oder "Die-Krosse-Krabbe-Pizza". Die ganzen Insider fliegen auch immer noch in unserem daily Sprachgebrauch herum. Und Jonas hat letztens seine Beziehung zu SpongeBob nochmal aufgefrischt. (lacht)
Jonas: Ja stimmt, ich war letztens bei "SpongeBob - das Musical". Das war der absolute Wahnsinn. Mein bester Kumpel hat mir das zum Geburtstag geschenkt. Wir haben gerade auch in der Schule eigentlich nur "SpongeBobisch" gesprochen. Das ist wirklich das Prägendste aus der Kindheit.
Ihr habt einen genderneutralen (Liebes-)Song geschrieben - "Meerjungfrau*mann" heißt der. Wie ist der entstanden und warum war es euch auch wichtig diesen so zu benennen?
Leo: Anfangs hatte ich die erste Strophe so, dass es darum geht, dass man wild Stile zusammenmischt - was mit Kleidung und Accessoires zu tun hatte. Das war mir aber zu wenig – eben nur auf das bezogen, was man eben anziehen und wieder in Schrank hängen kann.
Eigentlich ging es uns nämlich darum, eine solidarische Hymne, aber gleichzeitig ein Liebeslied zu schreiben, für Leute, die in der Bahn einen Zeigefinger abbekommen dafür, wie sie aussehen. Und das hat natürlich oft optische Gründe, aber eben auch andere. Durch die Unterwasserästhetik auch in den anderen Songs kam ich dann irgendwann durch SpongeBob auf "Meerjungfrau*mann". Wir sind auch große Wortspiel und Easter Egg Fans. Ich meine, wie nice ist es, dass man zwischen "Meerjungfraumann" einfach eine Gap lassen kann und dann mit dem Sternchen eine gewisse Genderneutralität hat, die gleichzeitig auch noch spielerisch ist und alle einschließt. Schlussendlich sind wir halt froh darum und zeigen, dass man eben auch mit einer Leichtigkeit an genderneutrale Sprache rangehen kann - die ja oft fehlt in der Debatte.
Hör nicht auf die Blaubarschbuben / Du bist meine Meerjungfrau*mann / Mein Meerjungfrau*mann
Ottolien in "Gezeitenland"
"Love Island / Robinson Crusoe" ist laut euch in so einer semi guten mentalen Lage entstanden und darin geht es auch darum, vorzutäuschen, dass es einem gut geht. Habt ihr damit Erfahrungen gemacht? Leo: Ja voll - also letzten Winter ging es mir echt beschissen und vor anderen ist man dann ja oft wieder so der "funny boy". Ich habe da auch gemerkt, dass es mir, wenn ich Instagram benutzt habe, nicht gut ging und das haben auch meine Freunde dann gecheckt. Ich dachte mir dann auch, das, was ich mache, ist nichts oder so und habe die ganze Zeit auf Streaming Zahlen geguckt - weil man darüber heute leider oft definiert, ob ein Song gut oder schlecht ist. Jedenfalls hat mich das dann mitgenommen. Und eigentlich hieß die Line im Song auch vorher nicht "Die Sonne scheint, wir tun so" sondern "Ich kann nicht mehr, aber ich tu so". Also dass man so tut, als könnte man noch, obwohl man völlig im Sack ist und man hievt sich irgendwo noch so humpelnd hin.
Jonas: Bei mir war es nicht ganz so, es geht aber in die gleiche Richtung. Also eher, dass man über einen längeren Zeitraum mit einer Person zusammen ist, wo man irgendwie gehofft hat, dass sich daraus mehr entwickeln könnte. Aber irgendwie im Hinterkopf hat man immer den Gedanken, dass das nichts wird und dass es wahrscheinlich auch so bleibt. Man mag die Person dann auch zu sehr, als dass man komplett "Tschüss" sagen würde. Irgendwie war das dann glaube ich so mein Gedanke oder mein Feeling hinter dem Track. Leo: Das weirde ist, dass dann der Refrain und diese Grundidee irgendwie voll mit mir und meinem Kopfding zu tun haben, aber die Strophen dann eigentlich eher dem Beziehungsinhalt von Jonas. So ist es oft, dass irgendwie dann ein gleiches Gefühl von "Wir machen jetzt mal weiter und tun so, als ob wir noch nicht das Ende sehen können" auftaucht. Das steckt ja in beidem irgendwie drin. Und das ist dann so der gemeinsame Nenner.
Und was sind eure persönlichen Tipps gegen den Winter Blues, neben Trash-TV gucken und Robinson Crusoe lesen?
Jonas: Also ich bin grundsätzlich jemand, der ungerne viel alleine ist. Deswegen versuche ich irgendwie immer rumzutelefonieren und zu gucken, wer gerade so Lust hat, was zu machen. Aber was ich tatsächlich so ab und zu mache, ist Squash spielen. Ich mag Squash sehr gerne und habe einen Kumpel, mit dem ich das in so einem kleinen Sportpark mache. Da kannst du auch Tennis spielen, da ist ein kleines Wirtshaus und die haben halt ein paar Squashhallen, wo man sogar noch eine alte Münze reinwerfen muss. Und das macht irgendwie voll Bock, einfach mal raus aus der Stadt in so eine urige Sportstätte und da sich komplett auszupowern. Leo: Mein Tipp ist Strecken, die man eigentlich fahren würde, zu Fuß zu gehen - auch wenn es manchmal länger dauert. Weil dann kommt man auf andere Gedanken. Ich bin viel zu oft am Handy und gucke nicht hoch.
Die Serie "Die Ringe der Macht" kann ich auch empfehlen - generell irgendetwas mit Fantasy. Da kann man sich dann einfach in eine andere Welt flüchten, ob jetzt in Büchern oder Filmen.
Ach ja! Meine Mama hat auch noch "Die Sumpflochsaga" - die kann ich auch nur empfehlen. Ist zwar eher für 12-jährige, aber zum Abtauchen ganz gut! (lacht)
Kann man auf jeden Fall mal machen. Viele schauen auch momentan alle Harry Potter-Filme nochmal oder lesen Fantasy-Trilogien. Was steht bei euch denn jetzt als nächstes an? Macht ihr direkt weiter Musik oder erstmal entspannen?
Jonas: Nach der EP jetzt erstmal kurz chillen, aber dann ist der Winter dafür angesetzt, dass wir ziemlich viel neue Musik schreiben wollen und wieder ordentlich produzieren. Nächstes Jahr könnte vielleicht sowas wie ein Album kommen, um das mal vorsichtig anzuteasern. Vielleicht machen wir auch noch was mit den Akustik-Sessions, ein paar Songs haben wir ja schon auf YouTube herausgebracht. Vielleicht bündeln wir das auch nochmal und schießen das noch hinterher.
Leo: Hinter solchen Releases ist natürlich auch immer mehr hinter als nur "es kommt ein Song raus". Man macht sich Gedanken, welche Optik man fährt, was für Geschichten man mit den Videos zeigen will und Social Media. Wir freuen uns aber darauf, wieder jetzt ins Kerngeschäft des Musikmachens zurückzukehren und nicht mehr den Content Creater Part machen zu müssen - oder weniger zumindest. Da haben wir natürlich den Vorteil, Musik machen zu können, was auch ein guter Tipp gegen depri Winter-Phasen ist. Und das gibt mir, für sowas wie den Jahresabschluss, ein ganz warmes Gefühl - dass man schreiben kann und sich irgendwo einmummelt.
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