In ihrem neuen Tape wo ein herz bricht schließt maïa Frieden mit ihrem gebrochenen Herzen und sich selbst. Melancholie, Sehnsucht und Herzschmerz werden verpackt in Poesie, sodass aus Gedichten Songs werden. Ich habe mit maïa über die neue EP wo ein herz bricht gesprochen und wie diese an die im Sommer erschienene EP ich hoff du brichst mir das herz anknüpft.
Maïa, wie geht es dir aktuell mit dem anstehenden Release?
maïa: Es ist sehr anders als beim Release der ersten EP. Ich bin viel erleichterter, dass es jetzt vorbei ist und freue mich sehr, dass dieses ganze Projekt abgeschlossen ist. Wir haben seit eineinhalb Jahren an diesem Konzept gearbeitet. Es tut einfach gut, jetzt außerhalb dessen Musik machen zu können. Aber ich freue mich unfassbar. Ich war noch nie so stolz auf Songs, wie auf diesen zwei Tapes. Die Stimmung ist also sehr gut!
Du hast in der letzten Zeit einige Live-Erfahrungen sammeln können. Hat sich dein Verhältnis auch zu Konzerten, zu denen du privat gehst, seitdem verändert?
maïa: Bevor ich Musik gemacht habe bin ich nicht viel auf Konzerte gegangen, weil meine Mama mich auch als Kind nie gelassen hat. Das war "zu gefährlich". Aber seitdem ich Musik mache, gehe ich unheimlich gerne auf Konzerte. Wenn man als Musiker*in selbst seine Energie wieder auftanken will oder Ansporn braucht, weiterzumachen, dann sind Konzerte dafür ein richtig guter Ort. Man sieht diese Artists auf der Bühne und denkt sich die ganze Zeit: Ja, ich will da auch stehen und deswegen muss ich jetzt weitermachen. Es ist jetzt auch leichter auf Konzerte zu kommen. Also man muss sich vielleicht nicht überall Tickets kaufen. Das hört sich blöd an, aber oftmals gerät man dann auf Konzerte, ohne dass man es vorher geplant hat. Das ist ganz schön.
Und würdest du sagen, die Songs verändern sich für dich, wenn du sie live gesungen hast?
maïa: Ja. Es gibt mittlerweile Songs, die singe ich überhaupt nicht gerne live und es gibt Songs, die singe ich unheimlich gerne live. Ich singe auch meistens die Songs in einer anderen Version als auf der EP. Da gibt's auch eine ganze Reihe an Songs, die ich viel lieber akustisch spiele. Wenn man die Songs so oft live spielt, merke ich einerseits, dass ich ihn jetzt anders produziert und gesungen hätte. Andererseits ist das aber auch eine schöne Chance, sich zu revanchieren und ihn dann so zu spielen, wie man ihn jetzt gerne hätte.
Deine letzte EP ich hoff du brichst mir das herz und jetzt die neue EP wo ein herz bricht bilden ein Projekt, was du nun mit der zweiten EP abgeschlossen hast. Diese ist, wie ich finde, gefühlsmäßig etwas hoffnungsvoller als die letzte. Inwiefern, würdest du sagen, unterscheiden sich ich hoff du brichst mir das Herz und wo ein Herz bricht?
maïa: Das erste Tape war sehr düster, urbaner und geprägt von dem Bild der Stadt, über das ich viel schreibe. Das zweite Tape ist quasi die gleiche Geschichte, nur aus einem verschiedenen Narrativ erzählt. Das ist immer noch die Geschichte eines Herzbruchs, findet immer noch in der Stadt statt, aber es ist – wie du schon sagst – viel hoffnungsvoller. Ich glaube, im zweiten Tape merkt man, dass man an den Punkt gekommen ist, wo man anfängt zu vergeben und mit sich selbst Frieden zu schließen. Es geht nicht unbedingt darum, mit einer anderen Person den Frieden schließen zu müssen, sondern den in sich selbst zu finden. wo ein herz bricht ist zudem viel poppiger. Ich musste auf jeden Fall lernen, diese Angst vor Kitsch zu überwinden. Wenn man deutsche Musik macht, kann man sehr schnell in den Kitsch geraten. Aber das musste ich beiseitelegen und es sind sehr schöne Songs entstanden.
Du meintest auf Instagram bei der zweiten EP wo ein herz bricht hat Musikmachen nochmal eine ganz andere Bedeutung für dich bekommen. Inwiefern?
maïa: Den ersten Song, den wir für das zweite Tape gemacht haben, war tatsächlich "frieden". Der Laptop von Ismail, der ganz viel mitproduziert, hat nicht funktioniert, deshalb mussten wir auf meinen Laptop wechseln. Ich habe die ganzen Plug-Ins nicht und wir hatten wirklich nur Klavier und Stimme. So haben wir damals immer angefangen Musik zu machen. Beim ersten Tape hat sich das aber gewandelt, da haben wir oft nach den perfekten Sounds gesucht. Danach sind wir aber wirklich wieder zum Ursprung zurückgekommen. Es war super losgelöst von Zwängen, das jetzt perfekt machen zu wollen. Wir sind nur mit dem Klavier und der Stimme rein und machen das, was aus dem Gefühl herauskommt.
Und es hat sich dann über das ganze Tape gezogen, dass wir wirklich angefangen haben, die Songs reduziert zu schreiben. Das war ein sehr intimer Prozess und es waren auch nur Ismail, Michael Geldrich und RGB an der Produktion und dem Schreibprozess beteiligt. Die Geschichten, die man über diese Songs erzählt hat, haben dann Anklang bei jedem gefunden und es war für uns alle sehr heilend. Das Studio von Michael Geldreich ist auf einer Insel bei Mainz, wo man wirklich hin rudern muss. Da bist du halt völlig losgelöst von der Welt und es nimmt die Schnelllebigkeit raus. Es war einfach magisch und besonders.
Das hört sich sehr friedlich und ruhig dort an. Du magst Literatur und Poesie sehr gern. Welche Bücher oder Gedichte haben dich denn durch den Entstehungsprozess von wo ein herz bricht begleitet und beeinflusst?
maïa: Also was mich sehr geprägt hat war "Brief an den Vater" von Kafka, vor allem für "frieden". Die meisten Songs sind auch tatsächlich aus Briefen entstanden, die ich vorher geschrieben habe. Die Worte, die in diesen Briefen stehen, habe ich in Songtexte umgewandelt. "Frieden" war so ein Brief und ich hatte sehr viele Denkanstöße aus diesem Buch, die mich dann dazu verleitet haben, diesen "frieden"-Brief zu schreiben. Auch noch ein sehr tolles Buch heißt "Neue Wege gehen". Das hat mehrere Autoren und besteht aus ganz vielen Gedichten, Prosatexten und Kurzgeschichten. Daraus habe ich tatsächlich auch viel gezogen.
"Brief an den Vater" wollte ich tatsächlich auch noch lesen, soll aber auch sehr emotional sein, habe ich gehört.
maïa: Ja, das waren auch nur ungefähr 90 Seiten. Ein sehr schöner Read, aber auch sehr emotional.
Du hast im Song "stadt" ein Feature mit Jassin auf dem Tape. Wie ist das denn zustande gekommen?
maïa: Ich habe Jassin kennengelernt, bevor er Musik herausgebracht hat. Das war letztes Jahr im Sommer auf einem Writing-Camp zusammen in Lindau. Wir reden so oft über den Moment, als wir uns das erste Mal kennengelernt haben, weil ich angeblich sehr einschüchternd war und er sich ein bisschen unwohl gefühlt hat. Aber wir haben uns damals eigentlich sehr gut verstanden und auch angefangen, zusammen Musik zu schreiben. Dieses Jahr im Januar waren wir zusammen im Studio, um einen Song für ihn zu machen und ich habe den Chorus von "stadt" gesungen. Dann haben wir den Song liegen lassen und eigentlich nie was daraus gemacht. Als ich am zweiten Tape gearbeitet habe, dachte ich mir: Mir ist es scheißegal, ob er den Song mitmachen will oder nicht. Aber jeder, der diesen Song gehört hat, liebt den Chorus, ich liebe den Chorus und er passt super rein. Ich habe ihn gefragt, ob er noch Lust hätte, drauf zu springen und er hat seinen wundervollen Part geschrieben. Der Song vollendet die EP glaube ich sehr gut.
Das Musikvideo zu "stadt" habt ihr auch in einem One-Take gefilmt. Wie ist die Idee dazu entstanden?
maïa: Wir haben mit Lukas Emil Klemm zusammengearbeitet, der so viel mehr aus den Songs draus gemacht hat, als ich mir visuell hätte vorstellen können. Ich bin Riesenfan von One-Takes. Wir hatten eben diese Wohnung und haben da das erste Mal auch mit Statisten gearbeitet. Das war ein sehr anstrengender Drehtag, weil wir zwei Videos an dem Tag gedreht haben. "stadt" war das letzte. Wir hatten wirklich nur zwei Versuche, um das hinzukriegen, also haben wir vorher so drei Stunden die ganzen Bewegungen geprobt. Beim ersten Take hat man noch irgendeine Requisite gesehen und wir mussten abbrechen. Als wir dann nochmal filmen wollten, hatten wir Stromausfall und das war richtig chaotisch. Aber ich liebe das Video, es ist eins meiner absoluten Lieblingsvideos und es stellt diese Ambivalenz sehr gut dar, die in diesem Song stattfindet. Ich bin in meinem Part so diese Instanz, die seinen Frieden gefunden hat und die Situation für sich abgeschlossen hat. Jassin bringt dann nochmal diese Ambivalenz mit rein, die noch voller Spott ist und noch keinen Frieden damit schließen konnte. Mit den verschiedenen Farben und Räumen haben wir das auch sehr schön gemacht.
In "muse und dichter" sprichst du von der Zärtlichkeit der Liebe und dass man sich ohne Worte versteht. Was lässt sich für dich schwer in Worten ausdrücken?
maïa: Es mir fällt es immer sehr schwer, Dankbarkeit in Worte auszudrücken. Darüber gibt es noch einen Song auf dem Tape, der "alles okay" heißt. Der ist ein kleiner Liebesbrief an meine Freunde und die Menschen um mich herum. Vor allem in diesem Jahr, im Prozess des Musikmachens des zweiten Tapes, habe ich so eine unfassbare, überwältigende Dankbarkeit für Menschen um mich herum verspürt, dass ich es wirklich nicht in Worte beschreiben kann. Der erste Satz bei "alles okay" ist auch: "Ich schau dich an und mich durchströmt das Meer" und es ist wirklich so ein Gefühl, wofür ich eigentlich nie die richtigen Worte finden kann. Ich habe das Gefühl, egal wie sehr ich den Menschen um mich herum sage, dass ich sie lieb habe und dankbar für sie bin, dass es eigentlich nicht das Ausmaß an Dankbarkeit beschreiben könnte.
Du bist da und du bist still / Weil was du sagst, kriegst du ohne Worte hin
maïa in "muse und dichter"
Und was haben deine Freunde zu "alles okay", diesem Liebesbrief an sie, gesagt?
maïa: Eine Reaktion, die mir voll im Kopf geblieben ist, dass eine Person meinte, dass sich der Song wie eine warme Umarmung anfühlt und sie den hören wird, wenn sie sich geliebt fühlen möchte. Und das war wirklich genau das, was ich mit dem Song gefühlt habe, als ich ihn geschrieben habe. Deswegen war das die perfekte Reaktion darauf.
Schön ausgedrückt hat sie das! Auf Social Media meintest du, vom letzten Track "wo ein Herz bricht (outro)", gab es viele Versionen und du hattest Schwierigkeiten den Song fertigzustellen. Was war da das Problem?
maïa: Das ist tatsächlich einer der ersten Songs, die ich damals geschrieben habe, als ich mit Musik angefangen habe. Da gab es den Chorus und noch ganz andere Strophen. Dann war dieser auch der letzte Song, den wir zu Ende geschrieben haben. Ich hatte das Gefühl, dass ich bei dem Tape an dem Punkt angekommen war, wo ich schon alles gesagt habe, was gesagt werden musste. Und vor allem in dem Chorus von "wo ein Herz bricht (outro)" habe ich das Gefühl, dass dieser nochmal richtig gut das Projekt mit beiden Tapes zu Ende gebracht hat.
Mir fiel es noch sehr schwer, irgendetwas zu sagen, ohne das Gefühl zu haben, ich ziehe mir jetzt irgendwas raus, was nicht gehört werden muss. Ich habe also ein Gedicht geschrieben, anstatt an Song-Lyrics zu denken. Die Strophe geht: "Fang mich auf kühler Wind / bring mich wieder irgendwohin / kleines Herz schlägt noch laut / hat sich aus seinem Versteck getraut." Irgendwie war das der Knackpunkt, nicht mehr dran zu denken, dass ich den Song zu Ende schreiben muss, sondern letzte Worte für das gesamte Projekt finden zu müssen. Es war eine sehr emotionale Reise den Song zu beenden. Wir haben uns sehr viel angeschrien in den letzten Schritten, aber als Ismail und ich so um zwölf oder ein Uhr nachts die letzten Vocals recorded haben, haben wir die Kopfhörer abgelegt und angefangen zu weinen. Das war sehr schön.
Du bist jetzt wahrscheinlich erstmal froh, das Projekt fertig und abgegeben zu haben. Was steht bei dir jetzt als Nächstes an?
maïa: Also ich mache jetzt auf jeden Fall eine kleine Pause, weil es doch sehr viel Output war die letzten zwei Jahre. Bis zum Frühjahr würde ich gerne neue Eindrücke sammeln, einfach mal für mich selber herausfinden, was ich noch erzählen will. Ich habe auf jeden Fall schon ein Konzept in Planung, was ich Ende nächsten Jahres realisieren möchte. Aber bis dahin habe ich einfach wieder Lust ins Studio zu gehen und Musik zu machen, ohne dran zu denken, dass die ins Tape passen muss. Ich habe Lust neue Sachen auszuprobieren, die ich bisher vielleicht noch nicht so gemacht habe. Aber bis Januar werde ich keine neue Musik machen und erstmal die Freizeit nutzen, die ich jetzt habe. Ich habe zum Beispiel mit dem Stricken angefangen - also einfach ein neues Hobby begonnen, was ich seit Jahren nicht mehr gemacht habe. Es tut irgendwie gut seinen Fokus auf etwas anderes zu richten, als die ganze Zeit nur auf diese eine Sache. Aber ich freue mich sehr auf nächstes Jahr!
Klingt nach einem guten Plan! Wir freuen uns auf jeden Fall dann wieder Neues von dir zu hören.
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