"I’ll take a warm body, if I can’t have love": Nell Mescal zeigt sich auf ihrer Debüt-EP Can I Miss It For A Minute? vor allem verletzlich, gepaart mit erfrischender Ehrlichkeit und Introspektion. Also schnallt euch an: Es geht auf eine kurze, wenn auch intensive Reise durch Mescals Gefühlswelt, die von ihrer starken Stimme und dem vollen Klangteppich untermalt wird.
Eigentlich ist es eine wahnsinnige Frechheit von mir, dass ich Nell Mescal erst durch eines ihrer TikToks mit ihrem Bruder Paul Mescal entdeckt habe. Der Schauspieler ist vor allem für seine Rollen in Normal People, Aftersun und zuletzt All of Us Strangers bekannt. Logisch, dass ich erstmal hellhörig wurde, als ich herausfand, dass sie selbst eigentlich Musikerin ist.
So versank ich also in das Universum der 21-jährigen Singer-Songwriterin und kam so schnell auch nicht wieder heraus. Wie viele Musiker*innen startete die Irin mit Covers, die sie auf Instagram hochlud, bevor sie sich an eigene Songs wagte. Ihre erste Single "Missing You" veröffentlichte sie schließlich 2020, gefolgt von einer Handvoll weiterer Songs.
Trotz der wenigen erschienenen Songs, durfte Mescal nach der Pandemie bereits für hochkarätige Artists wie Florence + The Machine, Haim, Dermot Kennedy und P!nk Support spielen. Bei Florence + The Machine stand sie dabei neben Namen wie The Last Dinner Party und CMAT auf dem Tourplakat – beides Artists, die erst verspätet bei uns in Deutschland ankamen.
Mit ihrer warmen Stimme, dem weichen Sound und ihrer faszinierenden Ausstrahlung zog Mescal mich sofort in den Bann. Während ihre ersten Veröffentlichungen noch sehr nach recht klassischen Klavierballaden klingen, wirkt ihr Sound auf der nun erschienenen Debüt-EP Can I Miss It For A Minute? deutlich gereifter und ausgeklügelter. Mescal weiß, was sie kann und wie sie ihr Songwriting-Talent nutzt.
Die gerade einmal fünf Tracks der EP markieren einen eindrucksvollen Startpunkt für eine hoffentlich lange, erfolgreiche Karriere. Direkt mit dem ersten Track "Warm Body" reißt Mescal mich aus der Gegenwart hinab in ihre Gefühlswelt. Zwischen klassischen Singer-Songwriter-Elementen, Indie-Rock-Momenten und ihrer vollen Stimme, die mal flüstert, mal ausbricht, erschafft die Musikerin eine EP, die mich alles auf einmal fühlen lässt. Can I Miss It For A Minute? klingt nach warmen Sommerabenden, dem Geruch von frisch gemähtem Gras, Sehnsucht nach dieser einen Person und dem längst vergessenen Jugendzimmer.
Trotzdem ist diese EP keine Coming of Age-Story. Vielmehr gewährt Nell Mescal einen tiefen, ehrlichen Blick in ihre Gedanken und kehrt mit pointierten Texten ihr Inneres nach außen. Gleichzeitig sind ihre Worte natürlich wahnsinnig relatable, wie in "Yellow Dresser" oder "Electric Picnic", und durch Mitsing-Refrains wie in "Killing Time" animiert die Musikerin dazu, auf dem eigenen Herzschmerz und der Vergangenheit herumzutrampeln. Ein Befreiungsschlag.
Sanfter Indie-Pop mit E-Gitarren ist sowas von zurück! Das beweist auch Nell Mescal in den 20 Minuten ihrer Debüt-EP Can I Miss It For A Minute?. Musikalisch erstreckt sich das Facettenreichtum der Singer-Songwriterin von Klavierballaden, über Fingerstyle-Gitarren, soften Indie-Rock-Anlehnungen bis hin zu vollen Arrangements, die ihr Können zeigen.
Als Nell Mescal mit den letzten Klängen von "July" und Lyrics wie "I put you on a pedestal and now I’m looking down on you" schließt, bin ich traurig, wieder in die Gegenwart entlassen zu werden. Aber die kurze Reise war es wert.
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