Bis vor einigen Wochen hätte ich es nicht für möglich gehalten, dass ich mal freiwillig auf ein Mark Forster Konzert gehen werde. Trotzdem stand ich letzten Freitag im Publikum der SAP Arena in Mannheim, voller Vorfreude auf Die unglaubliche Mark Forster Arena Tour Show. Was ist mit mir passiert? Bin ich Opfer einer klugen Marketing-Strategie geworden? Eine Rekonstruktion des Imagewechsels.
Der Inbegriff der Uncoolness
Mark Forster ist seit mittlerweile zehn Jahren wohl die omnipräsenteste Figur im deutschen Musikkosmos. Selbst wenn man sich nicht aktiv darum bemüht, begegnet man ihm zwangsläufig im Radio oder Fernsehen. Denn - ob man will oder nicht - der Mainstream steht auf seiner Seite. Die letzten Alben landeten alle in den Top Drei der deutschen Albumcharts, die Hooks als Ohrwürmer für immer in unseren Köpfen.
Trotz seines Erfolgs blieb ihm eine Sache immer verwehrt: Coolness. Beliebt war er vor allem bei Kindern und Familien, die freitagabends im kuscheligen Einfamilienhaus auf dem Sofa sitzen, um The Voice Kids zu gucken. Die Trendsetter haben ihn dagegen nie ernstgenommen. Da diente er immer eher als Meme-Charakter für den lächerlichen Alman. Wir erinnern uns: 2022 fand Mark Forster auf TikTok vor allem als der Typ statt, der "stampft, wenn er sauer ist", der "zwei Gummibärchen auf einmal ist, damit sie nicht alleine sterben" und der "beim Fangen 'Spielstop' schreit, um einen Hund zu streicheln". Schon hier schienen erste Anklänge des Kult-Potenzials durch, das sich im Moment zu entfalten scheint.
Der Wendepunkt
Letztes Jahr taucht er dann plötzlich in TikToks mit skrt cobain auf. Neue Brille, neue Cap und Streetwear; Mark hängt jetzt mit den cool Kids. Und na klar, Ski Aggu, der Meister der ironischen Selbstvermarktung, darf da natürlich auch nicht fehlen. Anfang Februar erscheint dann schließlich "schwarzer toyota" und der einstig uncoole Mark Forster rappt auf einmal mit skrt cobain und Ski Aggu über Chief Keefs "Love Sosa". Der Song markiert den Anfang seiner "Drip-Ära".
Und die wirkt wie ein sehr glücklicher Schachzug. Seitdem wird er nicht nur von allen Ski Aggu- und skrt cobain-Anhänger*innen gefeiert, sondern ist regelmäßig bei Streamern wie Papaplatte, Reeze und MAX fka KranCrafter zu Gast. Die Kommentarspalte würde sagen: "Er hat den Umschwung in unserer Timeline komplett verstanden." Vor allem hat er aber eine neue Zielgruppe erreicht. Die Gen Z hat plötzlich auch Bock auf seine Tour. Und die ist komplett auf sie ausgerichtet.
Die unglaubliche Mark Forster Arena Tour Show
Ohne TikTok wäre ich selbst nach "schwarzer toyota" nie auf die Idee gekommen, zu einem Konzert von Mark Forster zu gehen. Doch seit Beginn der Tour Ende März wurden immer mehr Videos in meine Timeline gespült, die sich einig waren: Wer nicht kommt, verpasst die beste Tour des Jahres. Natürlich hatte ich nun also auch das dringende Bedürfnis, mir selbst ein Bild davon zu machen.
So stehe ich dann am Freitag neben vielen Kindern und Eltern in der Mannheimer SAP Arena, voller Erwartung auf die "ADHS-ig gedachte"-Show, wie Mark Forster sie selbst im Podcast Edeltalk bezeichnet hat. Kleiner Spoiler vorweg: Die Beschreibung trifft es ziemlich gut.
Inszeniert als Late Night Show beginnt das Konzert mit 15-minütiger Werbung: Alte Werbespots für Granini, Wrigleys und Nutella trashig übersprochen als Mark Forster-Merchandise-Werbung. Sie sind eine Vorwarnung für die Reizüberflutung, die in den nächsten 90 Minuten folgen soll.
Im nahtlosen Anschluss an Support-Act Soffie begrüßt Late Night Host Forster seinen ersten Gast: Mark Forster mit "194 Länder". Sein Double kommt verkleidet als Mark Forster auf die Bühne, singt die ersten Zeilen und wird dann vom echten Mark Forster unterbrochen. Puh, es ist wirklich kompliziert. Mit der ersten Ladung Konfetti, fängt er dann endlich an selbst zu singen, begleitet von einem tanzenden Dino plus Weltkugel.
Der komplette Aufbau suggeriert das Setting einer TV-Aufzeichnung. Umherlaufende Kameramänner, eine große Showtreppe, darunter der verglaste Backstage-Bereich, in dem eine Person am Laptop arbeitet und rechts oben die Band. Dort darf nach fünf Songs direkt der nächste Special-Guest auftreten: Die Jungbusch-Piraten. Frontmann der Band ist - Überraschung - Mark Forster. Auf einem kleinen Bildschirm läuft durchgängig Sludge-Content, wie Videos von "Subway Surfers" oder kinetischem Sand, um die Aufmerksamkeit der neu hinzugewonnen Zielgruppe zu halten. Ob er sich das von The 1975 abgeschaut hat, sei mal dahingestellt.
Beim einfach gehaltenen "Kogong" und "Au Revoir" hat man zwischenzeitlich kurz das Gefühl auf einem normalen Konzert zu sein. Aber dann fällt der Vorhang, es schießen blitzartig Memes über die weiße Fläche und "schwarzer toyota" beginnt. Der Song ist der Startschuss für die wildesten Minuten der Show: Es folgt ein Medley aus "Farben Leuchten Schwarz"und "Genug" über Harry Styles' "As It Was" und Sophie Ellis Bextors "Murder On The Dancefloor". Flammenwerfer, Seifenblasen, Feuerwerk und der überstimulierende Back-Drop führen zum inszenierten Stromausfall, nachdem gleich drei Doubles, repräsentierend für je eine Mark Forster-Ära, eine Sped-Up-Version von "Stimme" spielen.
Während des "Stromausfalls" müssen die Handylichter des Publikums als Beleuchtung herhalten und sorgen für einen letzten ruhigen Moment vor dem großen Finale. Für "Chöre" lässt Mark Forster natürlich Tonnen von Konfetti regnen. Und mit all den Stimmen der Arena im Ohr, bekomme ich hier fast ein bisschen Gänsehaut. Aber nur kurz, denn bei seinem Abgang von der Bühne läuft der Song ein zweites Mal als Techno-Remix, der mich zum Ende nochmal komplett aus dem Leben schiebt.
Das Fazit
Ein Fiebertraum mit Ankündigung. Mark Forster hat sein Versprechen für Die unglaubliche Mark Forster Arena Tour Show eingelöst. Er hat alles auf die TikTok-Karte gesetzt und die Gen Z in seinen Bann gezogen. Die Show hinterlässt mich aber, nachdem ich all die Sinnesreize verarbeitet habe, mit einem Fragezeichen: Wie authentisch ist sein Wandel zur Kult-Figur?
Auf mich wirkt alles wie ein durchgeplantes Rebranding. Auf Instagram sagt Mark Forster, die Idee zu diesem Tour-Konzept hätte er bereits Ende des Jahres 2022 gehabt. Dass er dann kurz vor der Tour einen Song mit skrt cobain und Ski Aggu veröffentlicht und in neuem Look auf den größten Twitch- und YouTube-Kanälen auftaucht, kann kaum Zufall sein.
Ich sehe darin allerdings kein Problem. Vermutlich entstand die Idee zur Tour nach der Welle an mehr oder weniger böswilligen Mark Forster-Memes auf TikTok. Das Potenzial dieses Phänomens zu erkennen, umzudrehen und in eine Show umzuwandeln, die genau auf die Zielgruppe der Memes ausgerichtet ist, würde nicht jede*r erkennen. Und auch, wenn Mark Forster auf seiner Tour an einigen Stellen über das Ziel hinausschießt, muss man ihm eines lassen: Er hat ein Gespür für den Humor der Gen Z. Während er einige seiner relikten Fans nach dem Konzert wohl etwas ratlos zurücklässt, wird er auf TikTok von allen gefeiert. Die einen kaufen sich nun weiterhin Tickets wegen der Musik, die anderen wegen der Show.
Eine Frage bleibt allerdings: Wie soll es danach weitergehen? Ist Die unglaubliche Mark Forster Arena Tour Show der Beginn einer neuen Art von Konzerten? Ich glaube nicht. Vielleicht werden uns einzelne Elemente der Show jetzt immer häufiger begegnen, auf die Dauer wird der erwünschte Effekt davon aber schlagartig abnehmen. Irgendwann brauchen wir dann zehn Bildschirme mit Sludge-Videos, das komplette Konzert als einen einzigen Techno-Remix und Konfetti in jedem Refrain, um noch irgendwas zu fühlen. Naja, sind wir mal gespannt, was uns in ein paar Jahren auf der Die noch unglaublichere Mark Forster Arena Tour Show erwartet.
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