Gesund, glücklich und am besten auch noch reich. Social Media Feeds voll mit Tipps, die dein Leben besser machen, Produkten, die deine Depressionen heilen und Menschen, die dir erzählen, wie du endlich erfolgreich wirst. Aber muss das Leben wirklich so perfekt sein? My Ugly Clementine konfrontieren uns auf ihrem zweiten Album mit der Frage nach dem guten Leben.
My Ugly Clementine sind eine feste Säule der österreichischen Musikszene: Sophie Lindin- ger, Mira Lu Kovacs und Nastasja Ronck. Ihr erstes Konzert in Wien war ausverkauft, ohne dass die sogenannte Supergroup einen einzigen Song veröffentlicht hatte. Gründerin Lindinger war da schon bekannt als eine Hälfte des Pop-Duos Leyya, Kovacs füllt auch solo Konzerthallen und Neuzugang Ronck ist Teil der Liveband von Sharktank.
Nach zwei Besetzungswechseln und dem Debüt-Album Vitamin C hat sich die Neukonstellation in der tschechischen Einöde zusammengefunden, um dort in Ruhe am nächsten zu tüfteln. In ihrem Häuschen fernab der Zivilisation lag genug Abstand zu alltäglichen Ablenkungen, um über das Leben zu philosophieren und ihre Erkenntnisse in The Good Life zu vertonen.
Was ist das gute Leben?
Richtungsweisend für das gesamte Album war die erste Singleauskopplung "Are You In" - sowohl vom fuzzigen Sound, als auch vom Inhalt. Das mit dem guten Leben ist nämlich gar nicht so einfach, wie die drei im Song feststellen. Mentale Probleme, Überarbeitung, persönlicher Stillstand und alltägliche Hürden stellen sich dem regelmäßig in den Weg. Zum Ende des Songs lösen sie sich von all den Hindernissen und entscheiden sich zumindest schonmal dazu, vom guten Leben zu träumen.
Dazu gehört, dass man einfach mal die Füße hochlegt. "Feet Up" verkörpert die euphorische Realisation, dass ein fauler Tag zuhause schöner sein kann, als jede freie Minute mit Terminen voll zu planen. Die oft so gefürchtete FOMO verwandelt sich hier in eine zufriedene Langeweile.
Zum Glück gibt es im Internet genug Rabbit Holes, durch die man sich in diesem Fall graben kann. Lindinger beschreibt dessen Zweischneidigkeit in "WWW". Wenn die Langeweile und Selbstkonfrontation dann doch zu viel wird, bietet das Internet genug Erklärungen, um seine vermeintlichen Macken und Probleme zu verstehen und zu beseitigen. Es kann im besten Fall die Suche nach sich selbst beschleunigen oder aber auf Irrwege des endlosen Vergleichens führen. Diese Ambivalenz bringen My Ugly Clementine mit abgebrühten Gitarren und zerbrechlichen Höhen perfekt auf den Punkt.
Das Zwischenmenschliche
Der erste Track der Platte lädt auf die andere Facette von The Good Life ein - die zwischenmenschliche. "Circles" lässt das Album durch das bestechende Gitarrenriff wie das Intro einer Feel-Good-Serie starten. Eine Hymne ihrer Freundschaft innerhalb der Band.
My Ugly Clementine machen allerdings keinen Bogen um die schmerzhaften Seiten von jeglichen Beziehungen und setzen sich in Songs wie "Let Me Go", "Too Much", "Impossible Situation", "10 Things" und "How Would I Know What I Know" mit dem Scheitern derer auseinander: Manchmal passt man einfach nicht zusammen, mal will sich eine Person schlicht nicht öffnen, oder die Kommunikation läuft nicht so wie sie sollte.
Schwierig, wenn man es trotzdem immer allen recht machen möchte. Mit "The Adviser"gelingt es der Band die Dissonanz der inneren und äußeren Erwartungen an sich selbst zu vertonen und mit dem elendigen People Pleasing abzuschließen.
Die Steigerung dieses Aufzeigens persönlicher Grenzen findet zuvor auf "No" statt - dem wohl herausstechendsten Song von The Good Life. Lautstark schreien sie "No!" zu allen Forderungen, die an sie gestellt werden, schlagen nach einem kurzen Moment der Resignation aus Überforderung ruhigere Töne an und ziehen schließlich entschieden über ordentlich verzerrten Gitarren ihre Grenze.
Here is the line. Do not cross it.
My Ugly Clementine in "No"
Zum Ende des Albums stellt sich die Frage: Would you do it again? Der Song erzählt von der Erkenntnis, dass zu einem freien Leben vor allem die Gelassenheit gegenüber der Zukunft gehört, anstatt jeden Zufall kontrollieren zu wollen. Die Antwort von My Ugly Clementine auf "Would Do It Again" lautet ganz klar: "Ja".
The Good Life bietet eine erfrischend ehrliche Perspektive auf das Streben nach einem erfüllten Leben. Mit selbstsicherem Sound erinnert die Band an den Rock der 90s und 2000s und wagt sich von lauten Ausbrüchen auf grungigen Gitarren über ruhige emotionale Strophen in lässige Brit-Pop-Hooks. Produziert von der Band selbst klingen sie noch ausgereifter, noch mutiger als im Debüt. Mit The Good Life bringen My Ugly Clementine die Entspannung zurück in eine Welt voller Perfektionsdruck und sozialer Erwartungen.
댓글